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Das können wir auch

Expressionistische Gedichte

Expressionistische Gedichte? Das können wir – der Grundkurs Deutsch in der Q4 – auch! Nachdem wir einige Gedichte von Jakob von Hoddis, Gottfried Benn, Georg Trakl, Else Lasker-Schüler und anderen gelesen und begriffen hatten, wie sie „gemacht“ wurden, haben wir versucht, selbst expressionistische Lyrik zu schreiben. Du glaubst nicht, dass das geht? Du
willst wissen, zu welchen Ergebnissen wir gekommen sind?

Tischgespräche
Ein Tisch für vier, Zwang und Bedürfnis
Der Sitz verspricht Bequemlichkeit
Der Wein schenkt sich von selber ein
Der Imperativ möchte laut schreien
Das ist Enge
 
Krieg und Krise ummantelt in einer Mandelkruste
Der Mut bleibt stumm
Die Akzeptanz füllt nach
Es geht los, der Druck winkt zu
Ein hässliches Lachen
Und die Musik, dröhnende Klänge
Toccata in D-Moll
Der Notausgang verschwindet
Im gleichen Korpus wie das zitternde A
 
Großartiges Essen Martha, murmelt die lauernde Angepasstheit
Und wieder 1, 2, 3 - tick tack, tick tack
Die Luft steht im Raum, Achtung, Achtung
Hochstimmung, Tanz, und die aufgeregte Zeit rennt
Das Präsens weint, die Zukunft stirbt
 
Er bezahlt die Trauer mit ner Mark
Die Euphorie meldet sich
Der Krieg vorbei, das Klima lacht? Eingesperrt im Exil
Das Kampffeld leer, die Feigheit trinkt einen großen Schluck
Stagnierende Realitätsflucht, Generation verpasst
 
Der Teekocher schreit, „und immer wieder geht die Sonne auf“
Auf der Flucht, ohne Zuhaus’
 
Claire v. Holtzapfel
 
 
 
Weltende
Was waren einst die Vögel so froh,
als die Sonnenstrahlen durch die Baumkronen schienen.
Doch jetzt brennt alles so lichterloh.
Am Himmel die Vögel fliehen.
 
Die Wellen brausen auf.
Alle Häuser gehen kaputt.
Der Sturm nimmt seinen Lauf,
zurück bleibt nur noch Schutt.
 
Emilia Lanzeni
 
 
 
Die Bar
Verschmierter Lippenstift schmatzt auf fettigen Pommes
Und spricht dabei mit überteuerten Markenklamotten
Schluckauf fragt nach einer Zigarette
Doch zu viel Parfüm säuft nur gelangweilt
Krächzend kotzen die Lautsprecher
Das Bier mit der roten Nase brüllt mit
Hässlich lacht die Toilette
Schwindel mit müden Augen übergibt ihr seine Speise
Murmelnd ruft Stolpern nach einem weiteren Glas
Das nächste Lied krächzt noch lauter, es ist dasselbe wie vor 10 Minuten
Durchgehendes Dröhnen spaltet meine Ohren
Ich mache die Augen zu
 
Angelina Stiller
 
 
Und da draußen beginnt die Schlacht
Ein Sonnentag am kleinen Strande,
Heute betäubende Trockenheit im ganzen Lande,
Die blaue Primel lässt ungeniert die Blätter fallen,
Symbolisiert die erstickende Verzweiflung bei uns allen
 
Die Angst schwirrt in den gewobenen Gläsern,
Ein Klang von erdrückenden unstimmigen Bläsern,
Die kleine Schaukel des Nachbarskinds gerissen,
Die frühere Unschuld dahin geschmissen
 
Der Boden wellt sich in hüpfenden Wegen,
Das Theaterstück beginnt heut’ um Acht,
Das Kind in mir möcht’ sich niederlegen
Auf dem beschwingten Rummelplatz beginnt die Schlacht.
 
Claire v. Holtzapfel
 
 
Überwachung
Der Park ist leer, die Spielzeuge verloren
Der Schrei legt sich, ein Kind wird geboren
Im Rotlichtviertel nichts Neues zu sehen
Woanders erschöpfte Roboter, die nach Hause gehen
 
Eine hochnäsige Frau isst ihr Brot
Mit herausschauenden Fingern
Ein netter Mann liegt schon wieder tot
In seinem dunklen Badezimmer
 
Eine Katze dreht sich statisch im Kreis
Ein Kind entdeckt die Kamera
Es schaut hinein und es weiß
Es stecken die Höheren dahinter
 
Angelina Stiller
 
 
Gedicht
Städte so leblos und laut zugleich
Der Wind er rüttelt an den Fenstern
Betten so hart, der Boden wirkt weich
Wir werden verfolgt von den dunklen Gespenstern
 
allmählich verfliegt der Lebenswille
Blicke so matt
wie der Dunst in der Stadt
es steigt die Sehnsucht nach der Stille
 
Lorena Carranza
 
 
Leerer Traum
Und irgendwann war es nur noch ein Traum,
Unreal, Falsch und Leer
Am Anfang sprachen wir von einem für immer
Einem Haus mit Garten, Raum und Zeit
Ein Versprechen für die Ewigkeit
 
Was ist mit uns passiert
Wir bewegen uns überall ein bisschen, aber nirgends wirklich ganz
Wir sprachen von der Liebe
Von erstickenden überschwänglichen Gefühlen
Und irgendwann da war es nur noch ein Traum
Unreal, falsch und leer
Gefüllt mit leeren Versprechen und taumelnder Geborgenheit
 
Stagnierende Entwicklung theoretisch ausgedrückt,
Darauf tranken wir ein großes Glas
Wir schaffen das
Unsere einzigen Worte
Es war die Angst die sprach
Die Reflexion verschwand unbemerkt ins Exil
Im Korpus gefangen, wie ein Tanz ohne Rhythmus
 
Und irgendwann, da war das mit uns nur noch ein Traum
Und wieder, immer noch hielten wir fest
ausgebrannt, kalt und fern
 
Eine erloschene Flamme, ein dunkler Raum
Ohne Zeit und ohne Garten
Und irgendwann da war er weg
Unbemerkt und still war er fort
Und irgendwann, da war das mit uns nur noch Vergangenheit
Es war zu spät
Wir waren zu feige,
War es die Angst, war es das ungenügsame
Und jetzt steh ich hier und etwas fehlt
Tränen fließen über meine Wangen
 
Aber das bist nicht du
Du bist es nicht
Es ist die Erkenntnis
 
Denn wir sind irgendwie überall ein bisschen
Aber nirgends wirklich ganz
Wir rennen weg vor Verpflichtung
Wir bleiben lieber offen und frei
Wir haben Angst vor dem was kommt
Also rennen wir, wir rennen und rennen
Bis da nichts mehr ist und jetzt sind wir frei
Wir rennen weg vor Verpflichtung, wir rennen und rennen
Und dann, dann sind wir irgendwann wirklich allein
 
Wir sind Realitätsflucht
 
Claire v. Holtzapfel
 
 

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